Innenstadtsanierung Ja- aber barrierefrei

DIE LINKE. LISTE Moers

Kein Thema wird derzeit in Moers so intensiv diskutiert, wie über die künftige Gestaltung des Bodens in der Steinstraße und der Neustraße. Am 14.08.2023 fand eine Informationsveranstaltung der Stadt und des Planungsbüros statt.

Almut Klinger, behindertenpolitische Sprecherin der LINKEN LISTE erklärt hierzu:

Auch ich gehörte zu den interessierten Bürger*innen, die am 14.08. ab 18:00 Uhr an der Präsentation der Vorschläge zur zukünftigen Gestaltung der Moerser Innenstadt teilgenommen haben. Um es kurz zu machen: über ästhetische Kriterien wie Farbe der Steine oder Form des Pflasterverbunds kann man geteilter Meinung sein. Was mich aber maßlos geärgert hat, ist der Umgang mit dem Thema Barrierefreiheit.

Die Wiederverwendung des Kopfsteinpflasters ist im Sinne der Nachhaltigkeit, des Erhalts des Altstadtcharakters und auch im Interesse der städtischen Finanzen vielleicht wünschenswert. Die Entscheidung, diese Pflasterung aber ausgerechnet für die Fläche direkt vor den Schaufenstern zu wählen, grenzt Menschen mit Gehbehinderungen, Rollstuhlfahrer*innen, Nutzer*innen von Rollatoren oder Eltern mit Kinderwagen vom Schaufensterbummel und dem barrierefreien Zugang zu den Geschäften und Lokalen aus. Mir wurde von einem Mitarbeiter der Planungsfirma (Mittdreißiger, sportlich und gesund) entgegnet, er habe das Pflaster selbst mit einem Rollator getestet und keinerlei Probleme gehabt. Auf meinen Vorschlag hin wurde ein zufällig vorbeikommender älterer Herr mit Rollator gebeten, die bereits verlegte „Teststrecke“ auszuprobieren. Er beklagte, das Pflaster sei sehr uneben und die Vibrationen sehr groß. Mein Vater hat mehr als 10 Jahre im Rollstuhl gesessen; ich weiß daher um die Probleme, die durch kleinformatiges Kopfsteinpflaster – sowohl für die Person im Rollstuhl als auch für die Person, die den Rollstuhl ggfs. schiebt. Besonders zynisch fand ich die Bemerkung, dass Personen, die „fit genug“ sind, um in die Stadt zu kommen, auch mit dem Kopfsteinpflaster zurechtkämen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist m.E. das geplante taktile Blindenleitsystem. Dieses soll nach der Planung der Stadt aus einem 3 Steine breiten Streifen aus andersfarbigem Kleinpflaster bestehen und ca. 1 cm tief in die Pflasterung eingelassen werden. Dies hat zwar den Vorteil, dass bei Starkregen das Oberflächenwasser in diesen Mini-Gräben abgeleitet werden kann, allerdings entstehen so auch Stolperkanten, und das nicht nur für sehbehinderte Menschen. Stattdessen könnte man ohne weiteres die Ränder dieser Rinnen abschrägen. Und warum hier nicht wie überall sonst in der Stadt die weißen Bodenindikatoren mit Noppen und Rillen benutzt werden, die sehbehinderten Menschen ja vertraut sind, konnte mir niemand schlüssig erklären. Auf meine Nachfrage wurde mir bestätigt, dass in die Planung bislang weder der Beirat für Menschen mit Behinderung noch der Beirat für ältere Menschen einbezogen wurden. Dies gilt es dringend nachzuholen. Die Stadt gehört allen Menschen, nicht nur den jungen und gesunden. Notfalls müssen ästhetische Kriterien hier zurückstehen.

Dass es auch Kompromisse zwischen Kopfsteinpflaster-„Gemütlichkeit“ und Barrierefreiheit geben kann, zeigen die Beispiele der Stadt Dinkelsbühl oder des LVR-Freilichtmuseums in Kommern. Nützlich ist auch die Webseite https://nullbarriere.de/pflasterflaechen.htm. Hier sollte sich die Stadt Anregungen holen.